Er ist ein charakteristischer Bewohner der gewässerreichen Region zwischen Kiel und Lübeck: In keinem anderen Teil Schleswig-Holsteins ist die Dichte der Revierpaare des Seeadlers höher. 2020 brüteten 19 Paare innerhalb des Naturparks und 18 Jungtiere wurden hier flügge. Dies ist eine seltene Erfolgsgeschichte des Naturschutzes, denn bis vor etwa 70 Jahren war der größte Adler Europas hierzulande aufgrund menschlicher Verfolgung ausgestorben. Das diesjährige Kalenderposter wurde erstellt in Zusammenarbeit mit Bernd Struwe-Juhl von der Projektgruppe Seeadlerschutz SH e.V. und mit finanzieller Unterstützung des Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein.
Der Seeadler
Naturpark-Tier 2021
Symbol des Naturparks
Die zahlreichen Seen bieten dem größten Adler Europas eine gute Nahrungsgrundlage. Hier setzt sich die Nahrung während der Brutzeit zu fast ¾ aus Fischen zusammen und zu annährend ¼ aus Wasservögeln. Im Winter kehrt sich das Verhältnis etwa um und es werden hauptsächlich Wasservögel gejagt. Neben Enten, Gänsen und Tauchern sind vor allem Blässrallen bei Seeadlern sehr beliebt und machen mehr als die Hälfte der erjagten Vögel aus. Kormorankolonien werden zudem häufig von Seeadlern angegriffen und sowohl Alttiere erbeutet, als auch Eier und die noch flugunfähigen Jungkormorane aus den Nestern geholt. Säugetiere, wie z.B. Hasen werden hingegen selten gejagt; allerdings fressen Seeadler gerne Aas, sowohl dieser, als auch anderer Tiergruppen. Auch das Abjagen der Beute anderer Vögel beherrschen Seeadler ausgezeichnet.
Lauscht den Rufen eines Seeadler Paares
Riesen am Himmel
Schon aus größerer Entfernung kann man einen Seeadler oft gut erkennen: Mit einer Flügelspannweite von fast 2,50 m fallen die Weibchen und auch die etwas kleineren Männchen am Himmel kreisend sofort auf. Die brettartigen Flügel, der recht kurze, stumpf keilförmige Schwanz und der kräftige Schnabel sind ebenfalls charakteristisch. Anhand der Färbung kann man auf das Alter der Tiere schließen. Wenn ein junger Seeadler seine Flugfähigkeit erreicht hat und das Nest verlässt, sind, im Unterschied zum Alttier, der Kopfbereich und die Schwanzfedern überwiegend dunkel gefärbt. Über drei weitere Federkleider hat der Seeadler in der Regel frühestens im fünften Kleid, nach fünf Jahren, seine endgültige Färbung erreicht. Typische Altvögel haben ein recht uniform braunes Gefieder. Kopf, Hals und oberer Brustbereich sind deutlich hell abgesetzt und der sichtbare Teil der Schwanzfedern ist schneeweiß. Dieses Merkmal brachte dem Seeadler auch seinen englischen Namen „White-tailed Eagle“ und den lateinischen Artnamen „albicilla“ („Weißschwanz“) ein. Der Schnabel und die Iris sind jetzt zudem leuchtend gelb gefärbt.
Tipp
Weitere Informationen, auch zum Umgang mit aufgefundenen toten oder verletzten Seeadlern gibt es auf der Hompage der Projektgruppe Seeadlerschutz unter: www.projektgruppeseeadlerschutz.de
Familiengeschichten
Ab einem Alter von drei Jahren werden Seeadler geschlechtsreif. Sie tragen dann noch nicht das voll ausgefärbte Federkleid der alten Adler und brüten selten schon erfolgreich. Die Paare leben in Dauerehe zusammen und suchen oft immer wieder denselben Horst zum Brüten auf. Dieser wird im Naturpark häufig auf alten Buchen angelegt und jedes Jahr mit herangetragenen Ästen erweitert. Im Laufe der Zeit entstehen so Horste mit Durchmessern von über zwei Metern und Gewichten jenseits der 600 kg! Das führt bei Sturmlagen nicht selten zum Absturz des Horstes.
Bevor ein Paar mit dem Brüten beginnt, kommt es schon ab Oktober zu einer eher verhaltenen Herbstbalz, die dann ab Dezember in die eigentliche Balz übergeht, mit dem Höhepunkt im Februar. Das Adlerpaar lässt nun häufig im Duett Rufe ertönen und hebt zu gemeinsamen Balzflügen ab. Dabei kreisen die Partner gemeinsam im Revier und zeigen mitunter akrobatische Einlagen, wie das Berühren der Fänge des anderen mit sekundenlangem Trudeln Richtung Boden. Ebenfalls früh im Jahr, meist Anfang März legt das Weibchen dann ein bis drei Eier im Abstand von etwa zwei Tagen, die von beiden Elterntieren bebrütet werden. Nach circa 38 Tagen schlüpft der erste junge Adler. Nach 75 bis 90 weiteren Tagen und unzähligen Wasservögeln und Fischen, die beide Eltern verfüttern, werden die jungen Adler flügge und verlassen langsam das Nest.
Während einige Jungvögel das elterliche Revier früh verlassen, haben andere noch über viele Wochen eine Bindung, sowohl untereinander als auch zu den Eltern und werden von diesen mit abnehmender Häufigkeit weiter gefüttert. In dieser Zeit üben die jungen Adler das Ergreifen von Beute. Spätestens im Winter lösen sich die Familienbande und die jungen Adler legen manchmal hunderte von Kilometern zurück, auf der Suche nach neuen Nahrungsgründen. In den seltensten Fällen allerdings, machen sich gleich drei Jungadler auf den Weg ins Unbekannte, da statistisch nur etwa 1,2 Küken pro Brut flügge werden.
Der Seeadler in Schleswig-Holstein
Als im Jahre 1925 ein Schuss durch die Baumkronen der Halbinsel Zecher Werder im Schaalsee hallte, endete die Geschichte des Seeadlers als Brutvogel in Schleswig-Holstein. Das Weibchen wurde im Horst erschossen. Dieser Horst war der letzte im Gebiet des heutigen Bundeslandes. Der damalige Zeitgeist wird sogar in ornithologischen Werken, wie Naumanns „Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas“ von 1899 deutlich. Im Kapitel über den Seeadler heißt es dort: „Dem Jäger wird für Erlegung eines so schädlichen Vogels in den meisten kultivierten Ländern ein ansehnliches Schiessgeld ausgezahlt.“
Damit teilten die Seeadler das Schicksal der Stein-, Schrei-, Schlangen- und Fischadler, die schon zuvor durch Abschuss, Eierraub und Zerstörung der Horste in Schleswig-Holstein ausgerottet wurden. Anders als diese, hat der Seeadler aber ein erstaunliches Comeback erlebt: 2020 gab es wieder 123 Revierpaare im nördlichsten Bundesland mit 128 jungen Seeadlern, die flügge wurden! Dieser Erfolg war nur durch intensive Schutzbemühungen möglich nach der Wiederbesiedlung durch einzelne Adler aus Mecklenburg ab 1947. Nachdem die Zahl der Brutpaare infolge eines Bejagungsverbotes zunächst wieder zunahm, stagnierten die Bestände ab den 1950er Jahren und nahmen schließlich wieder ab. Es fiel auf, dass aus den Eiern brütender Seeadlerpaare kaum noch Küken schlüpften. Was war passiert?
Zunehmend geriet das Insektizid DDT ins Blickfeld, das seit den 1940er Jahren eingesetzt wurde und sich bis in die 1960er Jahre zum weltweit meistverwendeten Wirkstoff zur Bekämpfung von Insekten in der Land- und Forstwirtschaft entwickelte. Wie sich herausstellte, lagern sich DDT und einige seiner Abbauprodukte gerade bei Tieren am Ende der Nahrungskette stark im Fettgewebe an. Analysen wiesen auch in den Eiern von Seeadlern und anderen Greifvögeln hohe Konzentrationen des Insektizids und anderer Umweltgifte nach. Die Folge waren dünne Eischalen, die beim Brüten zerbrachen oder Embryos, die aufgrund der hohen Giftbelastung starben. Die negativen Nebenwirkungen führten schließlich zum Anwendungsverbot von DDT in vielen Ländern; in Westdeutschland ab 1972 und in der DDR nur sukzessive ab 1971 bis 1988.
Darüber hinaus gab es aber noch weitere Probleme: Seeadler sind vor und während der Brutzeit sehr störungsempfindlich im Umkreis des Horstes und reagieren auf langanhaltende Störungen durch Menschen, die in unmittelbarer Nähe spazieren gehen oder land- und forstwirtschaftliche Arbeiten ausführen, häufig mit Brutabbruch. Zudem gab es damals auch Diebe, die gezielt Seeadlereier aus den Nestern holten. Schwarzmarktpreise lagen bei ca. 10.000 DM pro Ei! Das Fällen von Bäumen in der Nähe der Horste, im Rahmen der forstwirtschaftlichen Nutzung verursachte ebenfalls viele Störungen.
Um die verbliebenen sechs Brutpaare Westdeutschlands, die ausschließlich in Schleswig-Holstein brüteten, vor diesen Gefahren zu schützen und eine Vergrößerung des Bestands zu erreichen, wurde 1968 die Projektgruppe Seeadlerschutz SH gegründet. Sie ist heute ein Zusammenschluss der Naturschutzverbände WWF, NABU, BUND und OAG, der Landesjägerschaft, des Waldbesitzerverbandes, des zuständigen Landesministeriums (MELUND) und der Schleswig-Holsteinischen Landesforsten. Eine wichtige Artenschutzmaßnahme der Projektgruppe ist die Bewachung von Neststandorten mit Hilfe ehrenamtlicher Seeadlerschützer/innen, um menschliche Störungen zu vermeiden. Die Einrichtung von Schutzzonen im Umkreis von mindestens 100 m um die Horste nach Landesnaturschutzgesetz dient ebenfalls diesem Ziel und schließt auch eine forstwirtschaftliche und jagdliche Nutzung des Bereichs innerhalb der Brutzeit aus.
Durch Anpachtung und Kauf von alten Baumbeständen erhält die Projektgruppe darüber hinaus Neststandorte und schafft durch Wiedervernässung ehemaliger Feuchtgebiete Nahrungshabitate für Seeadler und Lebensräume für viele weitere Arten. Absprachen mit Forstbediensteten, Grundeigentümer-n/innen und Jagdausübungsberechtigten um forstliche und jagdliche Maßnahmen abzustimmen sind ebenfalls wichtige Aufgaben. Die Kommunikation steht auch an den drei öffentlichen Beobachtungsstationen im Vordergrund: Interessierte können in Rathjensdorf, Barsbek und Gleschendorf Seeadler mit Spektiven beobachten und sich mit Fragen an die Betreuer/innen wenden.