An warmen Sommertagen sieht man am Röhricht der Ufer unserer Bäche und Flüsse den gaukelnden Flug dunkelblauer Libellen. Sie flattern mit langsam klappenden, dunklen Flügeln etwas unbeholfen wirkend herum. Hin und wieder aber fliegt eines der Tiere in horizontalem Kurvenflug unmittelbar über der Wasseroberfläche. Dabei bewegt es die Flügel eigenartig schwirrend, so dass diese nur noch schemenhaft wie ein dunkler Hauch erscheinen. Schaut man genauer hin, so sieht man, dass der Körper der prachtvollen Tiere von lebhaftem, blauem Metallglanz ist. Es sind die Männchen der relativ häufig vorkommenden Gebänderten Prachtlibelle. Die Weibchen dieser Libellenart sind hingegen metallisch grün, und ihnen fehlt die prachtvolle Flügelfärbung.
Die Gebänderte Prachtlibelle
Naturpark-Tier 2007
Erstaunliches Objekt der Verhaltensforschung
Die Prachtlibellen zählen zu den Tierarten, deren Verhalten am genauesten erforscht ist. Zunächst waren die Wissenschaftler überrascht: Die Männchen fliegen in auffälliger Weise herum, weil sie Reviere (Territorien) haben! Dies war zum Zeitpunkt der Entdeckung – im Jahr 1973 –eine Sensation, denn die Verhaltensforschung von Konrad Lorenz hatte sich zunächst fast nur mit Wirbeltieren wie Vögeln und Süßwasserfischen auseinandergesetzt, so dass man ausschließlich den hoch entwickelten Wirbeltieren derartig differenziertes Verhalten zutraute. Bevor ein junges Prachtlibellenmännchen, das sich frisch aus der Larve verwandelt hat, ein Revier erobern und verteidigen kann, muss es erst einmal ausreifen. Diese Reifezeit der jungen Prachtlibellen dauert 10 Tage und wird an Waldrändern und Knicks in der Nähe ihres Heimatgewässers verbracht, wo sie kleine Insekten jagen. Diese Details über das Leben der Tiere weiß man, da Libellenforscher die einzelnen Tiere ganzer Populationen individuell markiert haben und damit viele Tiere über lange Phasen ihres Lebens beobachten und jedes Detail davon registrieren konnten.
Akrobatische Superlative
Hochgeschwindigkeits-Filmaufnahmen der Prachtlibellen zeigten, daß auch diese Libellen entgegen dem ersten Eindruck Tiere der Superlative sind. Sie können ihre Flügel in geradezu atemberaubender Variabilität bewegen und so verschiedenartigste Flugmanöver mit großer Geschwindigkeit durchführen. Ein einfaches Beispiel für diese außergewöhnliche Fähigkeit ist, daß sie einen einzelnen Flügel stillstehen lassen können, während sie die anderen drei bewegen, etwa bei einem schnellen Kurvenflug. Anders als die Libellen haben im gesamten Tierreich gute Flieger in der Regel nur zwei funktionelle Flügel. Lediglich die Libellen haben aus der Not der über 350 Millionen Jahre alten, „vorsintflutlichen“ Ausstattung mit vier gleichgroßen Flügeln eine Tugend gemacht: Sie zählen zu den gewandtesten Fliegern des Tierreiches, und das trifft selbst auf unsere zunächst so unbeholfen wirkenden Prachtlibellen zu.
Aufteilung in Territorien
Sind die jungen Männchen schließlich zu voller Stärke und Fluggewandtheit herangereift, versuchen sie, ein Revier (Territorium) zu besetzen. Jetzt haben sie die prächtige, metallische Färbung in ihrer vollen Schönheit erlangt. Die Reviere enthalten in ihrem Zentrum einen Eiablageplatz, meist eine flutende Tauchblattpflanze, wie etwa ein Exemplar des Laichkrautes Potamogeton perfoliatus. Oft sind sie durch Geländemarken wie Büsche von der Umgebung abgegrenzt. Über weite Strecken sind die Ufer unserer Fließgewässer im Sommer in solche Prachtlibellen-Reviere aufgeteilt, was wir erst bei genauer Beobachtung der Tiere erkennen können.
Ein Revierbesitzer genießt einen Paarungs-Vorteil, den es zu verteidigen gilt. Mit halbkreisförmigen Schwirrflügen unmittelbar über der Wasseroberfläche markieren sie durch Entlangschwirren an der Grenzlinie des Territoriums demonstrativ, wo sich ihr Revier befindet. Die Reviergrenzen werden, sofern das Territorium ständig besonnt ist, einen Tag lang aufrechterhalten, indem das Männchen wiederholt diesen Reviermarkierungsflug zeigt. Manche Männchen schaffen es sogar, ein bestimmtes Revier am darauffolgenden Tag wieder zu besetzen und zu verteidigen. Bei diesem Drohflug stellt es die blaue Bänderung der Flügel schwirrend auf besondere Weise zur Schau.
Ruht der Revierbesitzer gerade im Territorium auf einem Sitzplatz, wenn ein Eindringling kommt, kann er auch von dort aus drohen: Dazu spreizt er nur die Flügel und zeigt dem Eindringling auf diese Weise deren blaue Färbung.
Reicht Drohen zur Verteidigung des Territoriums nicht mehr aus, greift der Revierbesitzer das andere Männchen an und es kommt zu einem Luftkampf. Zunächst scheinen sich beide Männchen in der Luft frontal gegenüberzustehen, so dass ihre Köpfe einander zugewandt sind. Dann schwirren sie in dieser Position, sich seitlich bewegend und ohne sich gegenseitig zu berühren auf spiraliger Bahn meterweit nach oben, bis einer der beiden aufgibt. Die Tiere messen dabei ihre Kraft ohne sich gegenseitig zu verletzen. Das Männchen, das zuerst ermüdet, ist der Verlierer. Kräftige Männchen können es sich hin und wieder leisten, für kurze Zeit nur mit zwei Flügeln zu fliegen. Die anderen beiden werden dann als Signalflaggen eingesetzt, um dem Kontrahenten Stärke zu zeigen und ihm den Eindruck zu vermitteln, dass es keinen Sinn hat, den Kampf fortzuführen.
Die Dauer des Kampfes hängt dabei nicht nur von der Kraft der einzelnen Männchen ab, sondern auch von deren Motivation, also dem Interesse, ein Revier zu besetzen. Neueste Forschungsergebnisse zeigen, dass es bei der Stärke der Motivation einzelner Männchen erhebliche Unterschiede gibt, obwohl alle das gleiche Interesse haben: sich zu paaren. Grundsätzlich scheinen Revierbesitzer stärker motiviert zu sein als revierlose, umherschweifende Tiere. Dringt eines dieser Männchen in ein Revier ein, so ist es wahrscheinlich, dass es vom Revierbesitzer vertrieben wird. Der Grund: Erstaunlicherweise hat der Revierbesitzer einen besseren Informationsstand als der Eindringling. Er erkennt die Qualität seines Reviers daran, wie viele Weibchen zuvor angelockt wurden, und zwar an der Anzahl seiner Paarungen! Der Eindringling weiß von alledem nichts und kann daher von einer solchen Motivationssteigerung nicht profitieren!
Mit Balz und Zangen zum Paarungsrad
Erscheint ein Weibchen im Revier, so beginnt der Revierbesitzer, es anzubalzen. Das Männchen fliegt ihm in einem wiederum auffallenden Schwirrflug, dem „Vorflug“, entgegen, bei dem es seine Flügelfärbung zur Schau stellt. Bleibt das Weibchen danach ruhig sitzen, ohne drohend die Flügel zu öffnen, kann sich das Männchen auf die spitzen von dessen nach oben weisenden, zusammengeklappten Flügeln setzen. Anschließend läuft es auf dem Vorderrand der Flügel des Weibchens bis zu dessen Kopf herunter, und verankert seine Hinterleibszangen am „Hals“ des Weibchens! Jetzt bilden beide die für alle Libellen typische „Paarungskette“: Das Männchen hat sein Weibchen im Schlepptau. Das Weibchen biegt dann seinen Hinterleib nach vorn, um das Hinterende mit dem Samenübertragungsapparat des Männchens in Kontakt zu bringen: Die Tiere bilden ein herzförmiges „Paarungsrad“, ebenfalls eine Besonderheit, die bei allen Libellen zu finden ist.
Mit Schlusslicht zur Eiablage
Spätestens im Anschluss daran zeigt das Männchen seiner Partnerin, wo der Eiablageplatz ist. Bei diesem „Zeigeflug“ schwirrt es wiederum schnell mit seinen Flügeln, klappt dabei aber sein Hinterleibsende weit nach oben, um dem Weibchen einen gelblichen Fleck an der Unterseite zu zeigen, das „Schlusslicht“. Dann lässt sich das Männchen auf der Wasseroberfläche am Eiablageplatz nieder und präsentiert dort erneut das Schlusslicht. Wenn das Weibchen dann die Eier einzeln in die dafür vorgesehene Wasserpflanze einsticht, wird es vom darüber fliegenden Männchen überwacht.
Wo gibt es diese faszinierenden Tiere im Naturpark?
Im Naturpark Holsteinische Schweiz ist die Gebänderte Prachtlibelle an verschiedenen Orten bereits beobachtet worden oder zu erwarten. Sie ist eine reine Fließwasserlibelle, deren räuberische Larven in sommerwarmen, besonnten Bachabschnitten z.B. der Schwentine, der Kossau und der Tensfelder Au, zu finden sind. Ihre Beute fängt sie mit der zur Fangmaske umgebildeten Unterlippe. Diese kann sie hervorschnellen und die Beute damit packen. Die erwachsenen Tiere fliegen im Zeitraum Mai bis September an unseren Wasserläufen.